Letzten Dienstag war es soweit.
Wochenlang angedroht und nun ist es Wirklichkeit. Viele meiner
Mitschüler haben versucht ihrem Schicksal zu entgehen, doch
letztendlich wären es nur unnötige Fehlstunden, die auf dem Zeugnis
nicht gut aussehen, daher blickten sie tapfer dem Schrecken ins Auge.
Eine Gruppe Kindergartenkinder wurde in den Kunstkurs eingeladen.
Jeder Schüler bekam ein Kind an seine Seite und gemeinsam sollte ein
Bild gemalt werden. Der Umgang der Kinder mit Farben sollte dabei
beobachtet werden. Ein gewagtes soziales Experiment. Meine Mitschüler
verschweigen aus purem Selbstschutz ihre Namen, doch drohende
Repressalien zwingen sie dazu ihn preiszugeben. Von der
Kindergärtnerin erfahren wir dass es die einfachsten Ordungsnormen
wie das Klingeln zur Pause nicht gibt. Die Kinder erleben dort keine
Struktur und verfallen in Anarchie. Trotz dessen sehe ich in ihren
kleinen Augen Angst, meine Mitschüler sind skeptisch. Ich fange an
herum zu gehen und die Grüppchen zu befragen. Ich will wissen welche
Erwartungen die Großen an diese Aktion haben. Die Antwort lautet
„ein schönes Bildchen“. Diese lapidare Formulierung verdeutlicht
dass keine ernsten Absichten vorhanden sind. Teil der Vorbereitungen
ist das Spitzen der Stifte. Sehr, sehr spitz. Eine Maßnahme zur
reinen Selbstverteidigung.
Ein kleines Mädchen wird von ihrer
Großen dazu aufgefordert ihr Lieblingstier zu malen. Ein Pferd. Die
Große schlägt im Rahmen des Farben-Experiments vor es Blau zu
gestalten. Blau. Die Farbe der Unlust, des Alkoholkonsums. Ein
weiteres Kind redet gar nicht. Es spürt die innere Leere des Großen.
Ein anderes Kind hat seinen eigenen
Namen vergessen. Eindeutig eine Schockreaktion.
Ein Kleiner verlangt von seinem Großen
dass er erraten soll was er malt. Das Kind hat kein Vertrauen in den
Intellekt des Großen.
Den Kleinen fehlen eigene Ideen, wenn
sie nicht nachschauen würden, was die anderen malen, würden sie
nichts aufs Papier bringen. Sie sind teilweise den Großen gegenüber
aufmüpfig und versuchen die Dominanz an sich zu reißen.
Auffallend ist dass sich auf jedem Bild
Gras finden lässt. Diese Tatsache wirft die Frage auf woher die
Faszination für das grüne Gewächs kommt. Man könnte sogar
spekulieren dass sich dahinter furchtbare Abgründe auftun, die auf
Drogenkonsum hindeuten.
Die Darstellungsweisen von z.B. Tieren
der Kleinen lassen darauf schließen dass dort einige abstrakte
Genies sitzen oder dass sie an völliger Wahrnehmungsstörung leiden.
Inzwischen reagiert man sehr gereizt auf meine Fragen. Eins der
Kinder lässt sich das Farbexperiment ein und gestaltet den Himmel
des Bildes in seiner Lieblingsfarbe – Gelb. Der Große sieht darin
eine Atomexplosion.
Ein Junge malt einen Dinosaurier, mit
blutenden Verletzungen. Schon im zarten Alter von 5 Jahren
verarbeitet er Gewaltfantasien in seiner Kunst.
Ich frage die Großen wie es denn mit
dem eigenen Kinderwunsch in einigen Jahren aussieht. Ihre Antwort:
nach dem heutigen Tag hat sich das Thema erledigt.
Ein Kind erzählt im Gespräch mit mir
von seiner Schwester und dem Konkurrenzkampf den die Geschwister
zuhause austragen. Die Eltern können nicht mit der Situation
umgehen. Ein schreckliches Schicksal.
Abschließend lässt sich zu dem
Farbexperiment noch sagen dass die Kindergartenkinder nur zu
farbabweichendem Malen bereit sind, wenn sie ihre Lieblingsfarben
nehmen dürfen. Sie malen schneller und spontaner als meine
Mitschüler. Über die Endresultate lässt sich, wie eben in der
Kunst, streiten.
Ja, so war das. Ich konnte mich offensichtlich vorm Malen drücken und war dafür für den Bericht zuständig. Dieser soll zusammen mit den entstandenen Bildern ausgestellt werden. Ich hoffe er gefällt meiner Kunstlehrerin. :)
Ich hasse diese Frau so abgrundtief, aber das beruht auf Gegenseitigkeit ;)